Mittwoch, 12. Juni 2013

Beuys II Men

Was ist Kunst?

Das zu unrecht viel geschmähte Diktum von Joseph Beuys, jeder Mensch sei ein Künstler, ist mehr als eine provokante Spitze. Es ist ein soziologischer Ansatz, mehr noch: ein antropologisches Programm, mehr noch: ein Leitfaden zur Menschwerdung. Vielleicht hätte er darum besser daran getan zu sagen: "Jeder Mensch kann ein Künstler sein."

Der Bäcker, der sich seinem Handwerk derart verpflichtet, dass er sagt: Ich will die besten Brötchen backen oder doch zumindest einzigartige Brötchen – und dies nicht primär aus einer wirtschaftlichen Denkweise sondern philanthropischen Haltung heraus (auch sich selbst gegenüber) –, der Bäcker, der mit Hingabe an die Arbeit geht, sich also hingibt, darf sich als Künstler begreifen. Und wäre ganz nebenbei ein hübsches Pflänzchen in der Servicewüste.

Wer jemals erlebt hat, wie römische Busfahrer ihr Gefährt durch die beidseitig zugeparkten Straßen entlang Vatikanstadt bugsieren, weiß, was wahre Kunst vermag. Sie bewegt den Menschen.

Sie ist keine bloße Spielart der Arbeit, sie ist eine andere Form von Arbeit.


"Lass Dich fallen,
lerne Schlangen zu beobachten,
pflanze unmögliche Gärten,
lade jemand Gefährlichen zum Tee ein,
mache kleine Zeichen, die Ja sagen und verteile sie überall
in Deinem Haus.
Werde ein Freund von Freiheit und Unsicherheit,
freue Dich auf Träume."

(aus: Jeder Mensch ist ein Künstler, Joseph Beuys zugeschrieben)

Dienstag, 11. Juni 2013

Der Jasager

Neu ist nicht böse. Es wäre vermessen zu sagen, Neu ist lieb. Aber Neu ist erstmal da und sagt: Nimm mich wahr!

Wie geht man damit um? Die entscheidende Triebfeder jeglicher Kunst ist die Bejahung, nicht die Ablehnung, ist die Integration, nicht die Ausgrenzung. Alles, was passiert, ist ein Angebot. Ob man es hineinnimmt in den Schöpfungsprozess oder nicht: Annehmen muss man es sehr wohl.

Mit acht Jahren wollte ich Schauspieler werden, danach nie wieder. Es gibt verschiedene Phantasien für die Bühne, und meine war nie die eines Darstellers. Wenn ich Theater denke, denke ich konzeptionell – (nicht nur, aber auch) darum erschien mir das Studium der Theaterwissenschaft passend. Und darum bewahre ich mir bis heute den Luxus des begeisterten Amateurs (oder des geschulten Außenseiters?), wenn ich auf meine eigene Zunft blicke.

Auch nach fünf Jahren in diesem Beruf bin ich immer noch erschüttert über jedes Nein aus dem Munde eines Kollegen: "Soviel Sekunden hat mein Tag nicht, die ich bräuchte, um mein Nein zu sagen. Meine Neine." (PeterLicht) Dieses Nein wuchert wie ein Geschwür, denn ja: Es ist der Krebs im Organismus der Kunst. Dieses Nein ist eines Künstlers, ist eines Bühnendarstellers, ist eines Schauspielers nicht würdig!


Samstag, 1. Juni 2013

Minne, minne, minne!

Ich weiß, ich hätte Stil – besäße ich das Geld, ihn mir zu leisten.

Unlängst war ich mit guten Freunden in einem Outlet-Store und erstand dort ein sehr hübsches, sehr buntes Kleid von Escada – nicht für mich. Das ließ mich eine lange Weile über Verschwendung nachdenken. Und lässt mich nun eine lange Zeile über Verschwendung schreiben.

Man kann sich im Leben immer entscheiden. Und eine der entscheidendsten Entscheidungen ist: Will ich zufrieden sein oder glücklich werden? Man trifft sie schlechterdings nicht bewusst und schon gar nicht freiwillig. Und ist entsprechend getroffen, wenn man realisiert: Glück ist ein transitorischer Zustand, so wie Theater auch – in dem Moment, in dem es passiert, ist es auch schon wieder vorbei. Darum geht das so gut zusammen: die Bühne und wir.

Peter Zadek hat einmal gesagt: "Ich träume von einem Theater, das Mut macht. Es ist ein Theater für hungrige Menschen, gierige Menschen, für Menschen, für die das Theater nicht ein delikates Dessert ist, sondern eine notwendige, lebensnotwendige Mahlzeit, ohne die sie in der zerstörten Zivilisation, die wir erreichtet haben, zugrunde gehen."

Wer diesen Hunger spürt, wer glücklich werden will, wird sich daher immer verschwenden: an die Liebe, an das Leben, an die Kunst. Eben an alles, was größer ist als man selbst. Und das feine, instinktive Gespür dafür, dass es größer ist als man selbst, macht erst den wahren Künstler aus.

Wir sind die Minnesänger des Kommunikationszeitalters. Weil wir wissen: Die Kunst ist wahr; die Realität ist meistens eher ungenau. Also sucht Euch Euer Burgfräulein und fangt an zu minnen!

Here comes the last of the great romantics.
Faithful and true, believing in you,
regardless of the things you do.

Here comes the last of the great romantics,
feet planted wide, defying the tide.
Come on Gatsby, stand aside.

People see me walking down the street
and I hear them saying 'here he comes'
That boy makes a banquet from
a table of crumbs...

He hears romantic music in
unanswered phones,
in the angry slamming of a door,
and the girl that he's mad about
does not care any more.

Here comes the last of the great romantics.
Defying the tide.  Come on Gatsby, stand aside.

Here comes the last of the great romantics.
Not foolish, not grand, taking a stand.
Out of touch?  No, in command!

So people, never ridicule the lovesick fool
or say he's only carrying a torch,
in his hands it's a flamethrower
and his judgement is scorched.

Here comes the last of the great romantics.
Not tortured, not wracked.  Illusions intact.
Undiscouraged by the facts.

Here comes the last of the great romantics.
Feet planted wide, defying the tide,
come on Gatsby, stand aside.

Here comes the last of the great romantics.

(Prefab Sprout)