Jeder, der was macht, macht was falsch. Und jeder, der was falsch macht, erntet dafür Kritik.
Kochen ist ein vergleichsweise hartes Brot. Trotzdem darf (und sollte!) man sich beschweren, wenn es nicht schmeckt. Es sei denn, es ist einem egal, was man isst. Das sollte auch für die Bühne gelten – sogar in besonderem Maße. Warum ist es gerade in der Kunst so schwierig, von Fall zu Fall gar unmöglich, Kritik zu äußern – ohne dafür angeprangert zu werden?
Wer die Bühne wählt, wählt die Öffentlichkeit. Und die umfasst schlechterdings spitze Federn. Man unterschreibt immer den Gesamtvertrag, und gerade das strahlendste Rampenlicht offenbart naturgemäß zuweilen den tiefsten Schatten. Was ist das größere "Verbrechen": In ihn zu treten oder ihn zu benennen?
Ich war letzte Woche zu Gast in zwei Produktionen. Nur eine von beiden überzeugte mich auf ganzer Linie. Und brauchte dafür nicht mehr als ein karges Bühnenbild, einen Pianisten und zwei Darsteller. Hier war Verschwendung und Opfer, hier war die Intimität, die das Verhältnis zwischen Künstler und Publikum so dringend braucht, weil sie erst die Bühne zum Atmen bringt. Und zum Aufatmen, wenn einem die Luft wegbleibt.
Die andere, Hamburgs Neuauflage von Andrew Lloyd Webbers "Phantom der Oper" in der Neuen Flora, bietet großen Aufwand gegen großes Geld – und ist doch viel kleiner. Weil hier Verweigerung am Werk ist. Auf der Bühne (stellenweise) und dahinter (konsequent). Das muss man sagen dürfen. Oder man frisst, um im Bilde zu bleiben, weiter Scheiße. Trotzdem darf ich mir jetzt den Vorwurf machen, keineswegs aber gefallen lassen, ich sei gemein. Ja: unmenschlich.
Noch einmal: Was ist das größere Verbrechen? Man kann keine kalte Küche servieren und es dem Gast dann übelnehmen, wenn ihm nicht warm ums Herz wird.
Samstag, 30. November 2013
Mittwoch, 2. Oktober 2013
Das größte Missverständnis
Kulturkritik ist eine heikle Sache. Gern wird davon ausgegangen, dass diese Berufung ergriffen wird von Menschen, die lieben, worüber sie schreiben. Aber dass man (beispielsweise) Theater liebt heißt ja nicht, dass man alles lieben muss, was über die Bühne geht. Entsprechend groß ist das Entsetzen (die Ent/täuschung), wenn die Laudatio mal ausbleibt.
Das größte Missverständnis zwischen Kulturschaffenden und Kulturkritikern (wie übrigens auch das größte Missverständnis zwischen Kulturschaffenden und ihrem Publikum) ist dies: dass es um Konfrontation gehe. Dabei geht es darum, einen Dialog herzustellen.
Ein Theater, das sich seinem Publikum verweigert, bleibt leer. Ein Bühnenmensch, der sich seinem Kritiker verweigert, ist feige. Oder, schlimmer noch, ein selbstherrlicher, saturierter Sektierer. Ein Publizist, der sich seinem Leser verweigert, ist einfach nur langweilig. Und das ist schlimm genug.
Es gibt die absurdesten und immer wiederkehrenden Vorwürfe gegen die schreibende Zunft, meistens als Ratschläge getarnt: Das könne man so nicht sagen. (Sicher kann man, es steht ja schon da.) Man habe gar nicht richtig hingesehen. (Wollte man im Zweifelsfall vielleicht auch gar nicht mehr.) Man habe keine Ahnung. (Was weniger an einem Mangel an Verständnis liegt als an einem Mangel an Erklärungsversuchen bzw. Deutungsangeboten.) Und, der Killer unter den Pseudo-Argumenten: Man habe es selbst "nicht geschafft" (was denn eigentlich?) und sei nur ein gescheiterter Künstler, der den Applaus schlechtreden müsse, in welchem andere baden (gehen).
Es ist erschreckend und unglaublich, wie gleichgeschaltet (und ich weiß um die negative, ja: gefährliche Konnotation dieses Wortes) es ausgerechnet im Kulturbetrieb zugeht. Wer kein Claqueur ist, wird verb(r)annt. Ein Fein-, ein Freigeist ist nicht, wer sich dafür hält. Es ist jemand, der Antworten sucht – statt vorgibt, welche zu haben.
Das größte Missverständnis zwischen Kulturschaffenden und Kulturkritikern (wie übrigens auch das größte Missverständnis zwischen Kulturschaffenden und ihrem Publikum) ist dies: dass es um Konfrontation gehe. Dabei geht es darum, einen Dialog herzustellen.
Ein Theater, das sich seinem Publikum verweigert, bleibt leer. Ein Bühnenmensch, der sich seinem Kritiker verweigert, ist feige. Oder, schlimmer noch, ein selbstherrlicher, saturierter Sektierer. Ein Publizist, der sich seinem Leser verweigert, ist einfach nur langweilig. Und das ist schlimm genug.
Es gibt die absurdesten und immer wiederkehrenden Vorwürfe gegen die schreibende Zunft, meistens als Ratschläge getarnt: Das könne man so nicht sagen. (Sicher kann man, es steht ja schon da.) Man habe gar nicht richtig hingesehen. (Wollte man im Zweifelsfall vielleicht auch gar nicht mehr.) Man habe keine Ahnung. (Was weniger an einem Mangel an Verständnis liegt als an einem Mangel an Erklärungsversuchen bzw. Deutungsangeboten.) Und, der Killer unter den Pseudo-Argumenten: Man habe es selbst "nicht geschafft" (was denn eigentlich?) und sei nur ein gescheiterter Künstler, der den Applaus schlechtreden müsse, in welchem andere baden (gehen).
Es ist erschreckend und unglaublich, wie gleichgeschaltet (und ich weiß um die negative, ja: gefährliche Konnotation dieses Wortes) es ausgerechnet im Kulturbetrieb zugeht. Wer kein Claqueur ist, wird verb(r)annt. Ein Fein-, ein Freigeist ist nicht, wer sich dafür hält. Es ist jemand, der Antworten sucht – statt vorgibt, welche zu haben.
Mittwoch, 12. Juni 2013
Beuys II Men
Was ist Kunst?
Das zu unrecht viel geschmähte Diktum von Joseph Beuys, jeder Mensch sei ein Künstler, ist mehr als eine provokante Spitze. Es ist ein soziologischer Ansatz, mehr noch: ein antropologisches Programm, mehr noch: ein Leitfaden zur Menschwerdung. Vielleicht hätte er darum besser daran getan zu sagen: "Jeder Mensch kann ein Künstler sein."
Der Bäcker, der sich seinem Handwerk derart verpflichtet, dass er sagt: Ich will die besten Brötchen backen oder doch zumindest einzigartige Brötchen – und dies nicht primär aus einer wirtschaftlichen Denkweise sondern philanthropischen Haltung heraus (auch sich selbst gegenüber) –, der Bäcker, der mit Hingabe an die Arbeit geht, sich also hingibt, darf sich als Künstler begreifen. Und wäre ganz nebenbei ein hübsches Pflänzchen in der Servicewüste.
Wer jemals erlebt hat, wie römische Busfahrer ihr Gefährt durch die beidseitig zugeparkten Straßen entlang Vatikanstadt bugsieren, weiß, was wahre Kunst vermag. Sie bewegt den Menschen.
Sie ist keine bloße Spielart der Arbeit, sie ist eine andere Form von Arbeit.
Das zu unrecht viel geschmähte Diktum von Joseph Beuys, jeder Mensch sei ein Künstler, ist mehr als eine provokante Spitze. Es ist ein soziologischer Ansatz, mehr noch: ein antropologisches Programm, mehr noch: ein Leitfaden zur Menschwerdung. Vielleicht hätte er darum besser daran getan zu sagen: "Jeder Mensch kann ein Künstler sein."
Der Bäcker, der sich seinem Handwerk derart verpflichtet, dass er sagt: Ich will die besten Brötchen backen oder doch zumindest einzigartige Brötchen – und dies nicht primär aus einer wirtschaftlichen Denkweise sondern philanthropischen Haltung heraus (auch sich selbst gegenüber) –, der Bäcker, der mit Hingabe an die Arbeit geht, sich also hingibt, darf sich als Künstler begreifen. Und wäre ganz nebenbei ein hübsches Pflänzchen in der Servicewüste.
Wer jemals erlebt hat, wie römische Busfahrer ihr Gefährt durch die beidseitig zugeparkten Straßen entlang Vatikanstadt bugsieren, weiß, was wahre Kunst vermag. Sie bewegt den Menschen.
Sie ist keine bloße Spielart der Arbeit, sie ist eine andere Form von Arbeit.
"Lass Dich fallen,
lerne Schlangen zu beobachten,
pflanze unmögliche Gärten,
lade jemand Gefährlichen zum Tee ein,
mache kleine Zeichen, die Ja sagen und verteile sie überall
in Deinem Haus.
Werde ein Freund von Freiheit und Unsicherheit,
freue Dich auf Träume."
(aus: Jeder Mensch ist ein Künstler, Joseph Beuys zugeschrieben)
Dienstag, 11. Juni 2013
Der Jasager
Neu ist nicht böse. Es wäre vermessen zu sagen, Neu ist lieb. Aber Neu ist erstmal da und sagt: Nimm mich wahr!
Wie geht man damit um? Die entscheidende Triebfeder jeglicher Kunst ist die Bejahung, nicht die Ablehnung, ist die Integration, nicht die Ausgrenzung. Alles, was passiert, ist ein Angebot. Ob man es hineinnimmt in den Schöpfungsprozess oder nicht: Annehmen muss man es sehr wohl.
Mit acht Jahren wollte ich Schauspieler werden, danach nie wieder. Es gibt verschiedene Phantasien für die Bühne, und meine war nie die eines Darstellers. Wenn ich Theater denke, denke ich konzeptionell – (nicht nur, aber auch) darum erschien mir das Studium der Theaterwissenschaft passend. Und darum bewahre ich mir bis heute den Luxus des begeisterten Amateurs (oder des geschulten Außenseiters?), wenn ich auf meine eigene Zunft blicke.
Auch nach fünf Jahren in diesem Beruf bin ich immer noch erschüttert über jedes Nein aus dem Munde eines Kollegen: "Soviel Sekunden hat mein Tag nicht, die ich bräuchte, um mein Nein zu sagen. Meine Neine." (PeterLicht) Dieses Nein wuchert wie ein Geschwür, denn ja: Es ist der Krebs im Organismus der Kunst. Dieses Nein ist eines Künstlers, ist eines Bühnendarstellers, ist eines Schauspielers nicht würdig!
Wie geht man damit um? Die entscheidende Triebfeder jeglicher Kunst ist die Bejahung, nicht die Ablehnung, ist die Integration, nicht die Ausgrenzung. Alles, was passiert, ist ein Angebot. Ob man es hineinnimmt in den Schöpfungsprozess oder nicht: Annehmen muss man es sehr wohl.
Mit acht Jahren wollte ich Schauspieler werden, danach nie wieder. Es gibt verschiedene Phantasien für die Bühne, und meine war nie die eines Darstellers. Wenn ich Theater denke, denke ich konzeptionell – (nicht nur, aber auch) darum erschien mir das Studium der Theaterwissenschaft passend. Und darum bewahre ich mir bis heute den Luxus des begeisterten Amateurs (oder des geschulten Außenseiters?), wenn ich auf meine eigene Zunft blicke.
Auch nach fünf Jahren in diesem Beruf bin ich immer noch erschüttert über jedes Nein aus dem Munde eines Kollegen: "Soviel Sekunden hat mein Tag nicht, die ich bräuchte, um mein Nein zu sagen. Meine Neine." (PeterLicht) Dieses Nein wuchert wie ein Geschwür, denn ja: Es ist der Krebs im Organismus der Kunst. Dieses Nein ist eines Künstlers, ist eines Bühnendarstellers, ist eines Schauspielers nicht würdig!
Samstag, 1. Juni 2013
Minne, minne, minne!
Ich weiß, ich hätte Stil – besäße ich das Geld, ihn mir zu leisten.
Unlängst war ich mit guten Freunden in einem Outlet-Store und erstand dort ein sehr hübsches, sehr buntes Kleid von Escada – nicht für mich. Das ließ mich eine lange Weile über Verschwendung nachdenken. Und lässt mich nun eine lange Zeile über Verschwendung schreiben.
Man kann sich im Leben immer entscheiden. Und eine der entscheidendsten Entscheidungen ist: Will ich zufrieden sein oder glücklich werden? Man trifft sie schlechterdings nicht bewusst und schon gar nicht freiwillig. Und ist entsprechend getroffen, wenn man realisiert: Glück ist ein transitorischer Zustand, so wie Theater auch – in dem Moment, in dem es passiert, ist es auch schon wieder vorbei. Darum geht das so gut zusammen: die Bühne und wir.
Peter Zadek hat einmal gesagt: "Ich träume von einem Theater, das Mut macht. Es ist ein Theater für hungrige Menschen, gierige Menschen, für Menschen, für die das Theater nicht ein delikates Dessert ist, sondern eine notwendige, lebensnotwendige Mahlzeit, ohne die sie in der zerstörten Zivilisation, die wir erreichtet haben, zugrunde gehen."
Wer diesen Hunger spürt, wer glücklich werden will, wird sich daher immer verschwenden: an die Liebe, an das Leben, an die Kunst. Eben an alles, was größer ist als man selbst. Und das feine, instinktive Gespür dafür, dass es größer ist als man selbst, macht erst den wahren Künstler aus.
Wir sind die Minnesänger des Kommunikationszeitalters. Weil wir wissen: Die Kunst ist wahr; die Realität ist meistens eher ungenau. Also sucht Euch Euer Burgfräulein und fangt an zu minnen!
Unlängst war ich mit guten Freunden in einem Outlet-Store und erstand dort ein sehr hübsches, sehr buntes Kleid von Escada – nicht für mich. Das ließ mich eine lange Weile über Verschwendung nachdenken. Und lässt mich nun eine lange Zeile über Verschwendung schreiben.
Man kann sich im Leben immer entscheiden. Und eine der entscheidendsten Entscheidungen ist: Will ich zufrieden sein oder glücklich werden? Man trifft sie schlechterdings nicht bewusst und schon gar nicht freiwillig. Und ist entsprechend getroffen, wenn man realisiert: Glück ist ein transitorischer Zustand, so wie Theater auch – in dem Moment, in dem es passiert, ist es auch schon wieder vorbei. Darum geht das so gut zusammen: die Bühne und wir.
Peter Zadek hat einmal gesagt: "Ich träume von einem Theater, das Mut macht. Es ist ein Theater für hungrige Menschen, gierige Menschen, für Menschen, für die das Theater nicht ein delikates Dessert ist, sondern eine notwendige, lebensnotwendige Mahlzeit, ohne die sie in der zerstörten Zivilisation, die wir erreichtet haben, zugrunde gehen."
Wer diesen Hunger spürt, wer glücklich werden will, wird sich daher immer verschwenden: an die Liebe, an das Leben, an die Kunst. Eben an alles, was größer ist als man selbst. Und das feine, instinktive Gespür dafür, dass es größer ist als man selbst, macht erst den wahren Künstler aus.
Wir sind die Minnesänger des Kommunikationszeitalters. Weil wir wissen: Die Kunst ist wahr; die Realität ist meistens eher ungenau. Also sucht Euch Euer Burgfräulein und fangt an zu minnen!
Here comes the last of the great romantics.
Faithful and true, believing in you,
regardless of the things you do.
Here comes the last of the great romantics,
feet planted wide, defying the tide.
Come on Gatsby, stand aside.
People see me walking down the street
and I hear them saying 'here he comes'
That boy makes a banquet from
a table of crumbs...
He hears romantic music in
unanswered phones,
in the angry slamming of a door,
and the girl that he's mad about
does not care any more.
Here comes the last of the great romantics.
Defying the tide. Come on Gatsby, stand aside.
Here comes the last of the great romantics.
Not foolish, not grand, taking a stand.
Out of touch? No, in command!
So people, never ridicule the lovesick fool
or say he's only carrying a torch,
in his hands it's a flamethrower
and his judgement is scorched.
Here comes the last of the great romantics.
Not tortured, not wracked. Illusions intact.
Undiscouraged by the facts.
Here comes the last of the great romantics.
Feet planted wide, defying the tide,
come on Gatsby, stand aside.
Here comes the last of the great romantics.
(Prefab Sprout)
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