Wer ist Schuld am Brexit? Die Briten? Die EU? Angela Merkel? Wer trägt die Verantwortung an der Flüchtlingskrise? Die Flüchtlinge? Die EU? Angela Merkel? Alles Blödsinn. Schuld ist und Verantwortung trägt unsere Sprache.
Brexit. Das klingt nicht nach dem, was es ist: eine Katastrophe, ein fatales Signal für eine mögliche Friedensgemeinschaft. Gar nicht schlimm jedenfalls. Brexit, das klingt schlank und elegant wie ein schickes Sportwagenmodell, das man am liebsten gar nicht erst probefahren sondern sofort kaufen will – selbst, wenn man sich dadurch derbe verschuldet.
Als die Rechtspopulisten im März 2016 öffentlich (also: in Talkshows) anfingen, von einer Flüchtlingsschwemme zu sprechen, war allerorten die Empörung groß. Das würde ja assoziieren, dass Europa tsunamiartig überflutet werde. Nein, nein, das konnte es nicht sein. Ein neues Wort musste her. Findige Füchse im Feuilleton und anderswo hatten es schnell gefunden: Flüchtlingskrise, das war selbstredend bedeutend besser. Nicht.
Wir haben keine Krise! Wir haben eine Aufgabe, dammit! Und die lässt sich nur gemeinsam bewältigen. Die unselige Verknüpfung von "Flüchtling" und "Krise" legt zudem nahe, dass letzteres unweigerlich aus ersterem resultieren würde.
So geht das immer: Wir haben kein Präkariat in diesem Land, wir haben Armut. Und finaler Rettungsschuss ist auch nur ein Euphemismus für Mord. Ehe man es sich versieht, hat unsere Sprache das Problem von Fall zu Fall entweder verschüttet oder verzerrt. Wenn das Vokabular selbst schon eine Lüge ist, kann alles, was daraus entsteht, jede Rede, die gehalten, jeder Aufsatz, der verfasst, jede Diskussion, die geführt wird, nicht wahr sein.